Referenten

Pflege in Not: In der ambulanten und stationären Pflege herrscht großer Reformbedarf

Beitragsbild von links: Karsten Honsel, Gerhard Hallenberger, Dr. Bodo de Fries

„Pflege in Not“ – so lautete das Thema eines Gesprächsabends des Sozialen Zirkels am 27.April 2023 in der Hochschule der Diakonie in Bielefeld-Bethel. Wolfgang Stender, Vorsitzender des Vereins Der Soziale Zirkel e.V., und Professorin Hilke Bertelsmann, Leiterin der Hochschule, konnten dazu drei fachlich sehr versierte Referenten begrüßen, die den großen Reformbedarf in der ambulanten und stationären Pflege deutlich vor Augen führten. Sie beließen es aber dabei nicht, sondern boten auch Vorschläge zur Lösung der Probleme.

Gerhard Hallenberger aus Frankenberg, der in Hessen viele Jahre im Gesundheitswesen tätig war, machte gleich zu Anfang den dramatischen Fachkräftebedarf deutlich. Der gesellschaftliche und demografische Wandel führt dazu, dass die Zahl pflegebedürftiger alter Menschen von jetzt ca. 4, 5 auf etwa 6, 3 Millionen Menschen im Jahr 2035 steigen wird.

Weil der Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung aber abnimmt und weniger Jugendliche eine Ausbildung beginnen, nimmt auch die Zahl derjenigen ab, die potenziell in den Pflegeberuf einsteigen könnten. Bereits jetzt fehlen bis zu 80.000 Fachkräfte.

Video-Dokumentation des Gesprächsabends

Videodokumentation

Auf Youtube finden Sie eine Video-Dokumentation des Abends in Bielefeld:
https://youtu.be/9fkiLp1boHk

Dr. Bodo de Vries, Vorstand im Evangelischen Johanneswerk, plädiert daher dafür, neben einer verstärkten Ausbildung im Inland auch qualifizierte junge Menschen aus dem Ausland anzuwerben. In seinem Referat stellte de Vries ein neues Ausbildungsprojekt des Johanneswerks im Rahmen einer deutsch-türkischen Kooperation vor. Demnach sollen bis zum Jahr 2025 rund 180 junge Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem Türkinnen und Türken aus Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, im Bielefelder Johanneswerk eine Ausbildung im Pflegebereich erhalten. Bereits jetzt verzeichnet das Johanneswerk unter seinen 7.300 Mitarbeitenden 75 unterschiedliche Nationalitäten. Da in den kommenden zehn Jahren 27 Prozent der Pflegehilfs – und Pflegefachkräfte aus Altersgründen ausscheiden, müsse es neben verstärkter Ausbildung vielfältige Formen der Personalgewinnung entwickeln – nur um den Status quo der Versorgung aufrecht erhalten zu können, sagte de Vries: „Hierzu gehört für uns auch das Ziel, ‚Integrationsprofi‘ zu werden“.
–> Präsentation als pdf (0,7 MB)

Ähnliche Wege gehen katholische Träger. Auf den Philippinen, in Tunesien, der Türkei und Südamerika versucht der katholische Krankenhausverband „Alexianer“ das so dringend benötigte Personal zu gewinnen. Geschäftsführer Karsten Honsel (Münster) setzt außerdem auf mehr Ausbildung, berufliche Weiterbildung von Pflegehilfskräften zu Fachkräften, Erleichterung der Arbeit durch digitale Technologien und eine Stärkung der Mitarbeiterzufriedenheit.
„Die Stressoren müssen reduziert und dem einzelnen Mitarbeitenden Aufmerksamkeit und Anerkennung gegeben werden“, sagte er.

In der Diskussion unterstrich dies die Leiterin einer Sozialstation des Deutschen Roten Kreuzes: „Die Mitarbeiterzufriedenheit ist das Fundament, auf dem die ganze Pflege ruht.“
In einem weiteren Statement schlug Gerhard Hallenberger, der den Krankenhausverbund „Asklepios“ mit aufgebaut hat, die Einführung eines verpflichtenden Sozialen Jahrs vor. Junge Menschen können seiner Meinung nach auf diese Weise auf Pflegeberufe und andere interessante Tätigkeiten im Gesundheitswesen, in denen Personalmangel herrsche, aufmerksam gemacht werden.

Hallenberger schlug auch Initiativen zur Wiedergewinnung von ausgeschiedenen Mitarbeitenden, zur Wiedereingliederung nach der Familienphase oder Umschulungen Älterer aus anderen Berufen vor. Um das Personal zu entlasten, hält er ebenso die verpflichtende Einführung der elektronischen Patientenakte für unbedingt erforderlich.

Vorsitzender Wolfgang Stender dankte den Referenten und sprach die Hoffnung aus, dass die Impulse von den Trägern, den Krankenkassen und den politischen Verantwortungsträgern aufgenommen und weiterverfolgt werden. Er dankte ganz besonders auch Olaf Hanke und der Wilhelm Knepper GmbH & Co.KG aus Lippstadt die als Partner des DSZ die Veranstaltung finanziell möglich gemacht hatte.