3. KI-Forum: Täglich sterben Menschen, weil notwendige Informationen fehlen
Wie erfolgreich ist eigentlich bisher die Einführung der elektronischen Patientenakte umgesetzt? Bisher wohl zum großen Teil noch sehr unvollständig. Dies wurde beim 3. Forum über „Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen“ in Bielefeld deutlich, das sich diesmal schwerpunktmäßig mit dem Thema elektronische Patientenakte (ePA) und elektronisches Rezept (e-Rezept) befasste.
Erneut hatten dazu gemeinsam der Bielefelder Verein „Der Soziale Zirkel“ (DSZ), die Industrie-und Handelskammer Ostwestfalen (IHK) und das Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft (ZIG) in den großen Saal der IHK nach Bielefeld eingeladen. Wolfgang Stender (DSZ), Uwe Lück (IHK) und Uwe Borchers (ZIG) konnten dazu mehrere fachkundige Referenten und eine große, interessierte Zuhörerschaft begrüßen.
In Diagnostik und Therapie sei Künstliche Intelligenz heute nicht mehr fortzudenken, sagte einleitend Gerhard Hallenberger vom „Sozialen Zirkel“. Hallenberger, der viele Jahre in leitenden Positionen im Gesundheitswesen tätig war, gab zunächst einen Überblick, wo überall KI in der Medizin schon seit Jahren Einzug gehalten hat. Ziel der Einführung einer elektronischen Patientenakte sei es nun, alle bereits vorhandenen Patienteninformationen auf einem Datenträger zusammen zu fassen. Im Notfall könnten sie dann sofort zur Verfügung stehen.
Die im Januar dieses Jahres in NRW angelaufene Einführung der ePA sei bisher noch sehr mangelhaft, stellte der Bielefelder Internist Kai Kleinholz fest. Viele Todesfälle könnten aber vermieden werden, wenn künftig alle relevanten Behandlungsdaten auf einem Datenträger gespeichert würden. Bisher stürben täglich Menschen, weil den behandelnden Ärzten die notwendigen Informationen über Vorerkrankungen, Medikamente oder vorausgegangene Krankenhausbehandlungen fehlten: „Doch nur eine vollständige ePA ist sinnvoll“, betonte der in der Bielefelder Hausarztpraxis Heeperholz tätige Mediziner. Dass Patienten selbst bestimmen können, welche Daten in die ePA kommen, hält er nicht für praxisgerecht.
Prof. Dr. Thorsten Kaiser, Internist am Klinikum Lippe, schlug in die gleiche Kerbe: „Voraussetzung für eine personalisierte Präzisionsmedizin ist, dass die behandelnden Ärzte alle bereits vorhandenen Informationen über den Patienten bekommen“, sagte er. Fehlende, verzögerte oder gar falsche Daten von Patienten seien häufig die Todesursache, zum Beispiel bei Herz-Kreislauferkrankungen.
Der Labormediziner führte den Teilnehmenden vor, wie der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) inzwischen die labormedizinische Diagnostik verbessert hat. Vieles sei bereits auf den Weg gebracht, um KI noch mehr als bisher zur Entscheidungs-und Prozessunterstützung nutzen zu können, sagte Kaiser. So könne die digitale Unterstützung sehr genau bisher im Blut verborgene Informationen sichtbar machen, zum Beispiel eine drohende Sepsis.
Wie KI den Zeitaufwand für die Dokumentation in der Pflege verringern kann, stellten Björn Gorniak und Maximilian Klimm vom medizinischen Dienstleister „Connext“ in Paderborn dar. So kann die Software „Vivendi“ etwa bei der Wundortdokumentation eine wertvolle Hilfe sein. Als Chance sieht auch Dr. Philipp Schulte-Mecklenbeck vom Vorstand der Apothekerkammer Westfalen-Lippe die zunehmende Digitalisierung. Die Einführung des elektronischen Rezepts sei erfolgreich gelaufen und im Alltag angekommen. Trotz einiger technischer Probleme funktioniere das System im Wesentlichen. Pro Tag werden laut Schulte-Mecklenbeck in Deutschland etwa 1, 6 Millionen e-Rezepte ausgestellt. Um Wechselwirkungen von Medikamenten zu vermeiden hält auch er eine gut funktionierende ePA für sehr wichtig. Bis jetzt sei aber zum Beispiel das automatische Abgleichen von Medikamenten-Wechselwirkungen noch nicht in die ePA integriert.
Um mit dem Ziel einer vollständigen elektronische Patientenakte voran zu kommen, hält der Apotheker ebenso wie die anwesenden Mediziner einen verstärkten Dialog mit den politisch Verantwortlichen für unabdingbar. Ärzte und Apotheker finden mit ihren Anliegen im Gesundheitsministerium in Berlin ihrer Meinung nach aber wenig Gehör. In der abschließenden Diskussion, die Uwe Borchers moderierte, war man sich aber darüber einig, dass die vielen tausend Todesfälle und Erkrankungsschicksale, die darauf zurückzuführen sind, dass die notwendigen Patientendaten nicht schnell genug zur Verfügung stehen, nicht einfach weiter hingenommen werden dürfen.